History
Lauren Wildbolz gelingt es, nicht als fundamentalistische Körnlipickerin wahrgenommen zu werden, die anderen vorschreibt, wie sie zu leben haben. Seit ihrem 14. Lebensjahr verzichtet sie auf Fleisch. Mit 19 fing sie an zu modeln, entgegen dem Wunsch des Vaters Jost Wildbolz, eines gefeierten Modefotografen. Dass sich mit dem Posieren vor der Kamera Geld verdienen lässt, wusste sie dank ihrer Mutter, die selber erfolgreich als Fotomodell arbeitete. Nach dem Vorkurs an der Kunstgewerbeschule reiste Wildbolz als Tauchlehrerin um die Welt. Irgendwann, so sagt sie,habe es sich komisch angefühlt, auf Fische zu zeigen und ihren Gästen, mit der Hand den Bauch reibend, zu signalisieren, dass diese schmackhaft seien. Somit wurden nach dem Fleisch auch Fische vom Speiseplan gestrichen.Für Lauren Wildbolz hat Veganismus ganz klar auch mit Verzicht zu tun. Bald kaufte sie auch kein Leder und keine anderen tierischen Produkte mehr ein, trug aber noch ihre alten Lederschuhe, bis sie auseinanderfielen. Eine Leder- Jacke ihrer Mutter verschenkte sie irgendwann. Heute würde sie Artikel tie- rischen Ursprungs nicht einmal mehr verschenken.
Produkte aus Tofu oder Seitan, die Fleischprodukte imitieren, findet Wildbolz okay, auch wenn sie sie selber kaum konsumiert – es sind ihr darin zu viele künstliche Inhaltsstoffe enthalten. Sie fragt zurück: Warum sollte jemand, der aus ethischen Gründen kein Fleisch isst, aber den Biss und den Geschmack davon vermisst oder seine Kochgewohnheiten nicht umstellen mag, nicht darauf zurückgreifen? Lauren Wildbolz sieht diese Debatte locker. «Veganes Essen grenzt niemanden aus, sondern schliesst alle ein», lautet ihr Credo.
Für Wildbolz ist es ein Erfolg, dass der Veganismus in den letzten Jahren auch in der Schweiz salonfähig gewor- den ist. Veganer verkörpern – auch dank ihr – nicht mehr nur das Image von radikalen Bekehrern. Mittlerweile hat Lauren Wildbolz mit Auftritten in Fern- sehen und Radio auch schon nationale Bekanntheit erlangt.
Nzz, 26.7.2014, Nadin Jürgensen