14/01/2024
Von der extrovertierten Künstlerin Betty Bizarre zur Bestatterin
Solingen/Mein Name ist Mona Kubat – viele kennen mich auch als Betty Bizarre. Als Künstlerin war ich viele Jahre als DJ und Model unterwegs. Ich habe zahlreiche Veröffentlichungen mit meiner elektronischen Musik und arbeite bis heute mit Markus Boehme – Mitglied der 90er Formation „Future Breeze“ als Vokalistin zusammen.
Dann kam Corona und mein Leben wurde, wie das der meisten Menschen, entschleunigt und ich entschied mich, vorrübergehend in Solingen zu bleiben. Ich verliebte mich wieder in meine Heimatstadt und entschied mich zu bleiben.
Ende 2022 arbeitete ich an meinem zweiten Buchprojekt, in welchem es darum geht, wie sich der Umgang mit dem Tod in Deutschland in den letzten 100 Jahren verändert hat.
Neugierig und bei einem Glas Wein bewarb ich mich als Quereinsteigerin bei einem namenhaften Bestattungsunternehmen in Solingen und bin aus allen Wolken gefallen, als ich eine Einladung zum Vorstellungsgespräch bekam. Anfang Dezember 2022 bekam ich dann die Zusage und es folgten schlaflose Nächte.
Wie werde ich die Eindrücke verarbeiten und was erwartet mich in diesem Beruf? Werde ich die Eindrücke verkraften, oder werden sie mich verfolgen?
Man wollte mich eigentlich an meinem ersten Arbeitstag, Anfang 2023 verschonen und ganz sanft in die Thematik des Berufes hineinführen. Doch das ging nicht, weil wir durch die Feiertage jede Menge zu tun hatten und so stand ich auf einmal in einer Krankenhaus - Pathologie und sollte mit einem Kollegen „meinen ersten Verstorbenen“ abholen.
Als der Tisch mit dem Verstorbenen auf mich zugefahren kam, verspürte ich Schweißausbrüche, eine pelzige Zunge und hatte das Gefühl, dass ich jeden Moment ohnmächtig werde.
Da ich ein reflektierender Mensch bin, holte ich mich in die Situation zurück und sagte mir:
Entweder Du gehst heute Abend nach Hause, mit der Erkenntnis, dass dieser Beruf nichts für Dich ist, oder Du versuchst es jetzt einfach und reißt Dich jetzt zusammen!!!
Schon ein paar Tage später hatte ich mich tatsächlich an den Umgang mit den Verstorbenen gewöhnt – sie abzuholen, hygienisch zu versorgen und einzusargen.
Ich hatte sehr viel zu lernen, weil der Beruf des Bestatters ein sehr vielseitiger Beruf, und natürlich auch ein sehr tiefgründiger Beruf ist – Empathie ist ganz wichtig in diesem Beruf.
Ein Jahr später kann ich sagen, dass der Beruf des Bestatters meine absolute Berufung geworden ist und ich habe meinen Weg kein einziges Mal bereut.
Mein Motto ist:
Es ist mir eine Ehre, den Verstorbenen respektvoll auf seine letzte Reise zu begleiten.
Die Angehörigen tröstend an die Hand zu nehmen und die Beisetzung, in ihrem Sinne, zu
organisieren – auch übernehmen wir die meisten bürokratischen Vorgänge, um sie in diesem „Ausnahmezustand Trauer“ zu entlasten.
Mittlerweile führe ich Trauergespräche, schreibe und halte sogar Trauerreden und erledige die meisten Arbeitsgänge selbstständig
Um die Eindrücke zu verarbeiten habe ich angefangen digitale Kunstwerke zu schaffen.
Die Message hinter meinen Kunstwerken ist:
Ich möchte den Tod wieder gesellschaftsfähig machen und dass die Menschen wieder lernen, offener über das Thema Tod zu reden und mit dem Thema umzugehen - Denn irgendwann betrifft es jeden.
Mit Pashmin Art Consortia haben es sechs meiner Kunstwerke auf eine museale Ausstellung ins Hong ART Museum nach Chongquing in China geschafft
Mein zweites Buchprojekt habe ich erst einmal neu konzipiert, weil es doch noch sehr weit von der Realität entfernt war und ich jetzt einfach mit meiner praktischen Erfahrung ganz anders über die Thematik Tod im Wandel der Jahre schreiben kann.
Der Beruf des Bestatters ist seit 2003 an anerkannter Lehrberuf - da aber auch in diesem Bereich ein Mangel an Facharbeitern herrscht, sind auch Quereinsteiger oftmals herzlich Willkommen.
Gerade wenn man eine handwerkliche Ausbildung abgeschlossen hat, stehen einem die Türen offen, in das Bestattungswesen. Ich bin vom beruflichen Ursprung her Straßenwärtergesellin und habe 15 Jahre praktisch als Gesellin gearbeitet.
Meine Angst davor, ob ich die Eindrücke verkraften werde, waren unbegründet.
Ich persönlich kann mir keinen anderen Beruf mehr vorstellen.
Text + Foto: Kubat (c)