11/09/2022
Superbloom in München – Noch nicht alles Gold, was glänzt
Ein neues Festival in München? Da sind wir dabei, vielleicht lässt es Münchens doch ein bisschen eingeschlafene Kulturszene etwas aufleben. Die Idee war perfekt. Der Olympiapark wird für das Superbloom - Wochenende in ein buntes Festivaltreiben verwandelt, mehrere Bühnen, zahlreiche international und national bekannte Acts wie Calvin Harris, David Guetta, BHZ und Kraftklub, die die Besucher*innen in Scharen locken, dazu ein buntes Rahmenprogramm aus Bildung und Spaß. Das Ganze soll an das Lollapalooza angelehnt werden, also auch noch hübsch aussehen. Damit sind alle Kriterien erfüllt, um das Superbloom zu einem Erfolgsgaranten zu machen. Oder?
Superbloom – Nicht nur Musik stand im Fokus
Auf den ersten Blick zeigt das Superbloom, was es kann: Ein tolles Unterhaltungsangebot für Groß und Klein. Eine Kirmes mit zahlreichen Mitmachattraktionen, die an einen Kindergeburtstag erinnern (Holzfische aus einer Wanne angeln – Highlight!), ein Spiegellabyrinth und Walking Acts. Sind wir ehrlich: Instagramable ist dieses Festival wie kein zweites und die zahlreichen Fotospots rund um den Olympiapark fanden guten Anklang bei den Besucher*innen. An jeder Ecke versteckte sich eine weitere Überraschung. Das Wichtigste ist aber: Das Superbloom sieht nicht nur schön aus, es bietet auch eine Menge an Inhalt. Von Informationsständen verschiedener NGO’s, Vorträgen der TU München, Modenschauen – wer gerade keine Lust auf Konzerte hatte, der konnte etwas für die Bildung tun. Oder einfach Karaoke singen, bei Comedians wie Kurt Krömer eine Runde lachen oder sich in einem der zahllosen Biergärten entspannen. Das Superbloom ist für alle da und erfüllt auch einen Haufen Bedürfnisse an Unterhaltung.
Gesellschaftlich relevante Themen auf der größten Bühne des Festivals
Eines unserer absoluten Festivalhighlights war der Vortrag von Tupoka Ogette, der Autorin von „Exit Racism“. Sonntags auf der größten Bühne des Festivals, der Olympic Stage im Olympiastadion einen Vortrag zum Thema „White Fragility“ zu positionieren, ist großartig und vor allem eines: Wichtig. Lauschte man nämlich den Kommentaren einiger Zuschauer (wir gendern hier bewusst nicht!) während des Vortrages, wurde umso deutlicher, wie wichtig genau diese Präsenz ist. Wer also argumentieren möchte, dass TED Talks auf einem Musikfestival nichts zu suchen haben, liegt falsch. Information und Bildung ist wichtiger denn je und wo erreicht man einfacher eine große Menschenmenge? Richtig. Nirgendwo. Wenn also Tupoka Ogette auch nur eine einzige Person zum Hinterfragen eigener Muster gebracht hat, dann ist es ein Schritt in eine bessere Welt. Ein riesiges Lob daher an dieser Stelle an die Veranstalter*innen des Festivals, hier eine Bühne für gesellschaftlich dringliche Themen geschaffen zu haben. Es klingt, als hätte das Superbloom Festival alles richtig gemacht. Hat es an vielen Stellen auch, an anderen hingegen haderte es noch mit den Kinderschuhen, in denen es als Erstlingsfestival definitiv noch steckt.
Es lief noch nicht alles rund
Ein großer Punkt, an dem es noch nicht komplett rund lief, war die Organisation. Dies betraf insbesondere den Einlass auf das Gelände sowie die Eingänge/Ausgänge zu den Bühnen, insbesondere der Olympic Stage. Hier konnten teilweise die Wellenbrecher nach Zutritt nicht mehr verlassen werden, da es keinen gesonderten Ausgang gab, um schnell und sicher in die hinteren Bereiche des Konzertgeländes zu gelangen. Dies führte zu langen Schlangen am Einlass der Wellenbrecher und besonders abends auch des kompletten Bühnenareals, sodass zahlreiche Besucher*innen Acts wie Calvin Harris nicht live erleben konnten. Ja, Bühnenschließungen gehören bei einem Festival tatsächlich mit dazu, eine bessere Kommunikation und klarere Instruktionen sowie geregelte Zugänge und Ausgänge hätten hier aber sicher einiges an Ku**er und Frust verhindern können. Dazu gehört auch, dass das Infield der größten Bühne nicht nur über nur eine einzige Treppe betreten und verlassen werden kann. Das kann im Ernstfall zu einer Gefährdungssituation der Besucher*innen führen. Genügend Wasserstellen mit kostenlosem Trinkwasser, mehr sanitäre Einheiten, die auch problemlos von den ersten Wellenbrechern aus betreten werden können, wären zudem wünschenswert gewesen, ebenso eine nachvollziehbarere Beschilderung der Bühnen und Wege. Geländeplan hin oder her, das Areal des Olympiaparkes ist riesig und es ist nicht unbedingt einfach, sich dort adhoc zurecht zu finden, so kam es durchaus vor, dass Besucher*innen auf der Suche nach der Bloomstage geradewegs an der Olympiahalle, die die eben genannte Bühne beherbergte, vorbeiliefen. Dass über das Wochenende hinweg der Unmut des Festivalpublikums über einige Missstände sowohl vor Ort als auch direkt in den sozialen Medien immer deutlicher und lauter wurde, ist bis zu einem gewissen Grad nachvollziehbar. Hier ist es am Veranstalter, diese Probleme für das nächste Jahr auszumerzen. Dass Kommunikation laufen kann, hat unserer Erfahrung nach der Samstag gezeigt, an welchem aufgrund von Unwetter das Festival kurzfristig unterbrochen werden musste. Hier funktionierte die Kommunikation, die Besucher*innen wurden regelmäßig über Lautsprecher informiert, die Stimmung bei allen war so weit gut, sodass das Festival nach kurzer Unterbrechung weitergehen konnte.
Samstag – Gute Laune trotz Regen
Wenn es dem Superbloom an einem nicht mangelte, dann an einem guten Line-up. Mit internationalen Stars wie Rita Ora, die live zwar durch eine gute Tanzperformance und Sympathie, allerdings weniger durch Livegesang punktete und UK Rapper Skepta, der eine wirklich solide Liveshow lieferte und das Publikum nach der Regenpause wieder auf Betriebstemperatur brachte und mit „Praise the Lord“, seinem Feature mit ASAP Rocky die Moshpits der Super Stage beben ließ. Sage noch einer, Grime wäre nicht tanzbar. Gewohnt solide zeigten sich am Samstagabend auch Annenmaykantereit, die die Olympic Stage komplett füllten. Mit „Pochahontas“, „Barfuß am Klavier“ und „Ozean“ wurde es melancholisch schön, über die Stimme von Henning May müssen inzwischen keine Worte mehr verloren werden. Jeder weiß, wie sein sonorer Bass Gänsehaut zaubert. Umso schöner ist zu sehen, dass sich der Sänger inzwischen auch in seiner Rolle als Entertainer wohlzufühlen scheint. Es wurde auf der Bühne herzerwärmend ungelenk getanzt. Vergleicht man die Show mit einem Act wie Rita Ora, so wirkte hier die Präsenz ehrlich und real. Eben Livemusik von Musikern, die keine Instrumente vom Band benötigen. Calvin Harris füllte auch Samstagabend die Olympic Stage zum Bersten und hinterließ bei den Wartenden, die keinen Platz mehr im Stadion ergattern konnten, einen Haufen an Frust.
Von DJ‘s, Rappern und Italo Pop
Der Sonntag hatte es musikalisch in sich. Mit Sigrid, der norwegischen Singer-Songwriterin, die unter anderem schon Kollaborationen mit Bands wie Bring me the Horizon vorweisen kann, begann der Tag auf der Superstage verträumt. Auf der Olympic Stage gab es mit Roy Bianco und die Abbrunzati Boys Italo Pop und einen Haufen Prä-Wiesn Flair. Warum auch immer: Das Publikum flippte bei Songs wie „Schlagerstrudel“ förmlich aus, uns stellte es eher die Nackenhaare auf. Wer reimt bitte Mortadella auf Antonella? Gerne hätten wir literweise Vino Rosso konsumiert, um das aushalten zu können, die Getränkepreise ließen das aber nicht in dem Maße zu, wie wir es gebraucht hätten. Ein Lichtblick des Tages folgte aber postwendend. Zoe Wees zauberte ein breites Lächeln mit ihrer warmherzigen Liveshow ins Gesicht. Ehrlich. Ohne doppelten Boden. Songs wie „Girls like us“ und „Control“ entwickelten hier eine ganz unerwartete Magie und begeisterten das vornehmlich junge Publikum vor der Bühne. Komplettes Kontrastprogramm folgte dann mit Kraftklub. Aus verträumt wurde laut und rotzig. In das Line-up passten die Chemnitzer absolut nicht, dafür hatten sie einen Haufen eigener Fans mitgebracht. Die Worte „Bin nur für Kraftklub da“ fielen gerade im ersten Wellenbrecher häufiger. So verwandelte sich das Publikum in einen wirbelnden Moshpit, Felix Ku**er packte tief in die Frontmannkiste und schon war auch der Rest der Zuschauer*innen gewonnen. Es wurden komplizierte Laola ausgepackt, die einem Die Ärzte Auftritt alle Ehre gemacht hätten, allgemein gab es einen Haufen Publikumsinteraktion. Kraftklub bewiesen hier, wie viel Wert es doch ist, eine liveerfahrende Band zu sein. Felix Ku**er selbst konnte sich dabei aber einen lakonischen Kommentar Richtung Veranstalter nicht verkneifen. So erwähnte er scheinbar beiläufig, dass den Acts nahegelegt worden wäre, ihre Sets zu kürzen. Nicht mit Kraftklub, die spielten ihre Stagetime mit einem Set, dass alle zu erwartenden Hits enthielt, komplett aus. Auch neue Songs wie „Ein Song reicht“ oder „4x4“ kamen beim Publikum an und wurden begeistert mitgebrüllt. Egal wie schief, die Zuschauer*innen hielten es mit Frontmann Ku**er, der ganz selbstbewusst rappte „Ich kann nicht singen“.
Nach so viel geballter Liveenergie konnte es nur groß weitergehen. Macklemore packte eine seiner so typischen Shows aus, die vor allem eines machen: Gute Laune. Spaß steht an erster Stelle. Zu „Thriftshop“ und „Cadillac“ konnte dann auch ordentlich gefeiert werden, mit im Gepäck hatte der US Rapper auch seinen neuen Song „Maniac“. Das Münchener Publikum honorierte genau diese völlig entspannte, hedonistische Partyhaltung auf der Bühne mit absoluter Begeisterung. Das übliche Dancebattle, wie es auf jedem Macklemore Konzert durchgeführt wird, durfte natürlich nicht fehlen und wie immer wurde es perfekt vom Rapper moderiert und wie immer wurde keine eindeutigen Gewinner*innen gekürt. In diesem Fall gewann aber das Publikum. Es gab an diesem Abend vermutlich niemanden, der nicht selig mit gen Nachthimmel gestreckten Armen bei „Can’t hold us“ mitbrüllte. Zu Ende war damit die Party aber noch lange nicht. David Guetta packte mit Feuerwerk, Hits wie „Titanium“ und „Work hard“ ein absolut solides Future Bass-Deep House Set aus. Solide, abgezockt. Mehr lässt sich zu dem französischen Star DJ nicht sagen, das Publikum belohnte ihn mit ekstatischem Tanzen und begeisterten „Ohhh’s“ für die Pyro.
Fazit zum ersten Superbloom Festival in München
Viel Licht und Schatten gab es an diesem Wochenende zu beobachten. Wir haben ein buntes Festival besucht, das den diversen Gedanken wirklich zu leben schien. Begonnen bei Vorträgen und NGO‘s vor Ort bis hin zu einem Line-up, das über einen Frauenanteil verfügte, an dem sich so man andere altgediente Festivals gerne eine sehr große Scheibe abschneiden dürften. Hier wurde an zwei Tagen aktiv der Beweis angetreten, dass es sehr wohl talentierte Musikerinnen wie Esther Graf, Alli Neumann oder Mia Morgan gibt, die der sonst endlosen Pen*sparade der deutschen Festivalbookings Abhilfe schaffen können und sich beim Publikum größter Beliebtheit erfreuen. Danke dafür, Superbloom, das ist ein wichtiges Signal. Schafft es das Festival also, die Probleme im Bereich Sicherheit und Organisation für das nächste Jahr in den Griff zu kriegen und aus seinen Babyschuhen zu entwachsen, dann besteht tatsächlich eine gute Chance, dass sich das Festival langfristig in München etablieren kann. Wir würden uns sehr darüber freuen, München hat dieses Festival in allen Belangen bitter nötig.
C.Schulz