02/06/2024
Hier ein Auszug aus dem GA.
Nach dem Eklat um Sylter Video
Wird „L’Amour toujours“ auch auf Pützchens Markt verboten?
Bonn · Das Lied „L’Amour toujours“ ist seit Jahrzehnten ein Partyhit. Jetzt soll es auf diversen Volksfesten verboten werden, nachdem auf Sylt und anderswo Menschen dazu rassistische Parolen grölten.
Was sagen die Stadt Bonn und die Kommunen im Rhein-Sieg-Kreis?
Von Ulla Thiede Redakteurin Wirtschaft
Nach dem Eklat um das Partylied „L’Amour toujours“ in einem Lokal auf der Insel Sylt, das von Gästen für rassistische Parolen missbraucht wurde, wird ein Verbot des Hits auf Volksfesten diskutiert.
Die Städte Bonn, Siegburg und Troisdorf sehen bisher keinen Anlass, dem Beispiel anderer Veranstalter zu folgen und das Abspielen oder Vortragen des Liedes zu untersagen.
Der bekannte Bonner DJ Dirk Meesters sagte, er werde das Lied aktuell nicht spielen: „Ich will keine Diskussion aufkommen lassen.“
Das sei schade für den Künstler, denn: „Ich finde das Lied sehr cool.“
Auf GA-Anfrage teilte das Presseamt der Bundesstadt mit: „Es gab in Bonn bislang keinen Anlass, in Zusammenhang mit diesem Lied ordnungsbehördlich einzuschreiten.
Ob und, wenn ja, welche Handhabe die Stadt hätte, das Lied zu verbieten, müsste juristisch geprüft werden.“ Das sei bislang mangels eines Anlasses noch nicht geschehen. „Selbstverständlich beobachtet die Stadt Bonn die aktuelle Diskussion weiterhin aufmerksam“, hieß es.
Das gelte auch für Pützchens Markt im September, wo im Festzelt auch Bands spielen und das Publikum mitunter mitsingt.
Der italienische DJ, Remixer und Musikproduzent Gigi D’Agostino hatte das Lied „L’Amour toujours“ vor mehr als 20 Jahren herausgebracht, mit dem er weltweite Erfolge feierte. Nachdem ein Video am Wochenende Lokalgäste auf Sylt zeigte, die auf die Melodie „Deutschland den Deutschen“ und „Ausländer raus“ grölen, kündigte der Veranstalter des Münchner Oktoberfestes, hinter dem die bayerische Landeshauptstadt steht, an, das Lied in diesem Jahr verbieten zu wollen.
Andere Volksfestveranstalter zogen nach. Allerdings gab es auch viele Stimmen, die sich gegen die geplanten Aufführungsverbote aussprachen, so der Berufsverband Discjockey (BVD). „Das ist katastrophal. Wo sind wir denn, Lieder zu zensieren?“, sagte BVD-Präsident Dirk Wöhler dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
Nach Sylt-Eklat:
DJ Meesters will von Fall zu Fall entscheiden
Der Bonner DJ Meesters („DJ Dirk“) sagte, er werde künftig von Fall zu Fall entscheiden, ob er das Lied spiele oder nicht.
„Ich gucke mir die Gäste genau an.“ Durch seine jahrelange Erfahrung habe er einen „Blick für gewisse Situationen.
Da ist schnell mal das Handy gezückt“. Wenn dann plötzlich rassistische Parolen gegrölt werden, könnte es schnell heißen, der DJ sympathisiere mit solchen Leuten.
Dass der Partyhit hin und wieder mit ausländerfeindlichen Worten gesungen werde, habe er erstmals durch das Sylter Video mitbekommen, erklärte Meesters.
Mit anderen DJs habe er über die Frage eines Aufführverbots noch nicht gesprochen. „Wenn es jemand spielt, ist das aber in Ordnung.“
Eklat um „L’amours toujours“:
Wie läuft es beim Stadtfest in Siegburg?
Das Presseamt der Stadt Troisdorf erklärte, ein Aufführverbot des Liedes werde derzeit nicht diskutiert. Es gebe keinen Anlass dazu, weil es in nächster Zeit keine öffentlichen Veranstaltungen mit Außenbühnenprogramm gebe.
In Siegburg findet Ende August das Stadtfest statt, dazu sind auch Bands gebucht.
Pressesprecher Jan Gerull sagte, ihm seien Überlegungen, das Lied zu untersagen, aktuell nicht bekannt.
Auf dem Stadtfest gebe es auch Coverbands und ein Partytower mit Musik werde aufgebaut. „Da sind die DJs gefragt.“
Gerull ergänzte, er wundere sich ein wenig, dass auf das Sylter Video solche Diskussionen folgten, weil das ja nicht der erste Vorfall dieser Art sei.
Bereits im vergangenen Jahr war mindestens ein Zwischenfall in Mecklenburg-Vorpommern bekannt geworden, bei dem ausländerfeindliche Parolen auf die Melodie von „L’Amour toujours“ gesungen wurden.
„Den Song zu verbieten, bedeutet, den Rechtsextremen klein beizugeben“, sagte BVD-Präsident Wöhler. Er verurteile die Umdichtungen des Hits mit rechtsextremen Textzeilen auf das Schärfste. Dennoch dürften die Vorkommnisse kein Grund für ein Verbot sein.
Im Gegenteil: „Gerade jetzt sollte der Song gespielt werden, um zu zeigen, dass wir multikulti sind.“
Zuvor hatte Kulturstaatsministerin Claudia Roth den Zeitungen der Funke-Mediengruppe gesagt:
„Viel wichtiger als jetzt Lied-Verbote auszusprechen wäre es, dass die verantwortlichen Betreiber für Schulungen und Sensibilisierungen bei ihrem Personal sorgen, professionelle Awareness-Teams einsetzen und insgesamt klarmachen, dass es eine Null-Toleranz-Politik gegenüber jeglichen rassistischen, menschenfeindlichen und NS-verherrlichenden Äußerungen geben muss.“ Eingreifen statt wegschauen und weghören, das sei jetzt „von uns allen gefordert“.
Völlig abwegig hält ein Verbot auch die Kulturjournalistin Samira El Ouassil.
Im „Spiegel“ schrieb sie am Freitag: „Um es einfacher auszudrücken: Es ist, als würden die Neuen Rechten auf einer Party am Buffet einmal alle Fischbrötchen ablecken, sodass man sie eklig findet – und wir in Reaktion darauf den Fisch verbieten.“
(mit Material von dpa)