06/02/2019
RTL-Parade der humanoiden Minimalkonfigurationen
(port01 Dresden-Kolumne, Februar '19)
Es gab mal eine furchtbare Zeit in unserer Gesellschaft, da wurden Frauen nur auf ihr Aussehen reduziert und öffentlich bloßgestellt. Moment, das war Mittwoch!
Ich habe es für diese Kolumne wieder getan: den Bachelor geschaut! Dieses Mal hatte ich mir vorgenommen, nicht über Menschen, sondern nur über das Format zu spotten. Spoiler: klappt nicht.
Ein Minuten-Protokoll:
Sekunde 0: Kurz vor Beginn zeigt RTL einen alten Werbespot von Davidoff Cool Water. Ach nein, das ist der neue Bachelor. Er räkelt sich am Strand von Mexiko und sieht dabei verdammt gut aus. Trumps Mauer kommt zu spät.
2. Minute: In seinem Vorstellungsvideo ist der Typ mehr n***t als Micaela Schäfer in ihrer gesamten „Karriere“. Er ist Profi-Basketballspieler. Und Unternehmer, denn er hat „das Kaugummi“ erfunden. Grammatik offensichtlich nicht. Angeblich liegt „das Kaugummi“ weltweit an jedem Kiosk. Liegen scheint es gut zu treffen, denn kauen will das offenbar niemand. Warum macht er sonst bei diesem RTL-Unsinn mit.
8. Minute: Der Typ scheint sympathisch zu sein. RTL hat komplett versagt. Können die nicht mal einen Langzeitstudenten mit Halbglatze und Bierbauch da hinstellen? Ich würde gern die Reaktionen der Hupfdohlen sehen. Die kommen jetzt.
14. Minute: Jawoll, hier hat RTL dann doch Kreativität bewiesen. Die „Ladys“ liefern genau das, was man erwartet. Und unterbieten das auch noch. Ein Mann, der wohl eine Wette verloren hatte, muss alle Frauen nacheinander zu dem Basketballer fahren. Der hat zur Abwechslung sogar mal was an.
17. Minute: Die erste Kandidatin steigt aus. Er stellt sich ihr vor. „Ich bin Andrej, mit J“, sagt er. Die Blondine grübelt bis heute, wie sie Jandre aussprechen soll. Ihre Eltern dachten sicher an was anderes, als sie beim Abschied sagte, sie wolle sich in den nächsten Wochen auf den Bachelor konzentrieren.
24. Minute: Die Dialoge der Ladys im Auto bestechen durch kühle Analysen und kluge Rezessionen: „Oh mein Gott, ich seh ihn.“ „Oh mein Gott, da steht er.“ „Oh mein Gott, ich kotze gleich.“ „Oh mein Gott, ich sterbe.“ Die mexikanischen Security-Männer am Set laden bereits ihre Betäubungsgewehre.
27. Minute: Eine nach der anderen steigt aus dem Auto und zeigt sich dem Bachelor. Offensichtlich hat Olivia Jones für alle ihren Kleiderschrank geplündert. Und der Bachelor guckt die ganze Zeit so brav wie ein Wackeldackel auf der Hutablage.
31. Minute: Warst du im Abi nicht so hell, Brüste raus und RTL. Die Gespräche zwischen den humanoiden Minimalkonfigurationen und dem Bachelor sind so tiefsinnig wie eine Muster-Tapete. Andrej: „Ich bin 31“. Sie: „Wow, ich bin auch 26.“
35. Minute: Die anderen Furz-Gurken werden angekarrt wie Sandsäcke zur Flut. In der Villa steigt auch der Pegel, die ersten Bi***es plündern das Alkohol-Buffet.
47. Minute: Der Bachelor macht keinen Hehl daraus, dass auch er kognitiv etwas früher abgebogen war. So merkt er sich konsequent kein bisschen die Gesichter oder gar Namen der betörenden Gehirnakrobatinnen.
54. Minute: Jetzt steigt Gina Lisa aus. Geschminkt als käme sie gerade vom Paintball ohne Maske. Moment: Nicht mal Gina Lisa sieht so krass nach Gina Lisa aus! Die hier nennt sich „Jade“ und setzt ganz auf ihre „Natürlichkeit“. Der Bachelor denkt sich: Naja, dumm fickt gut. Dabei fickt auch klug gut. Nur vielleicht nicht den RTL-Bachelor.
66. Minute: Es kommen immer mehr. Bei einigen könnte ich schwören, die haben sich nach der letzten Staffel nur die Haare gefärbt und probieren es glatt noch mal.
73. Minute: Die Dame, die gerade vor dem Bachelor rumstottert, ist Flugbegleiterin, 21 Jahre alt und hatte schon vier lange Beziehungen. Sicherlich Langstreckenflüge. Sie trägt Leoparden-Muster. In Gedanken erstelle ich eine Liste mit Dingen, an denen Leoparden-Muster gut aussehen: Leoparden.
84. Minute: Bei jeder neuen Gewitterhexe, die aus dem Auto steigt, verliebt sich der Bachelor neu. In seine Ex.
91. Minute: Nun kommt eine, die für RTL den wöchentlichen Termin ihrer ADHS-Sitzung schwänzt. Sie sagt zum Bachelor: „gib mir einen Beat“ und beginnt zu tanzen. Und genau in dem Moment fällt mir ein Stein vom Herzen. Um diese Kolumne zu schreiben, muss ich keine weitere Folge mehr sehen. Der Tiefpunkt der Staffel ist erreicht.
109. Minute: Jetzt muss der Kaugummi-Erfinder nur noch seine Blümchen verteilen. Unterlegt mit dramatischer Musik nennt er willkürlich irgendwelche Namen und guckt, ob und wo jemand aufsteht. Es klappt.
118. Minute: In der Vorschau auf die nächste Folge zeigt RTL plötzlich Frauen, die ich noch nie gesehen habe. Ach nee, sind nur abgeschminkt.
120. Minute: Auf Kabeleins kommt jetzt Poltergeist. Was zum Runterkommen.