06/06/2017
Imaginäre Schienen gut geschmiert
„Zechpeter“ traf „Rosenkranz“ auf dem „Schienepädel“ zwischen Böchingen und Flemlingen
Mit einem Dorffest an der Gemarkungsgrenze, unter dem Motto „Zechpeter“ trifft „Rosenkranz“, hatten die Nachbargemeinden Böchingen und Flemlingen am Samstag und Sonntag zu einem weiteren Höhepunkt aus dem hochkarätigen Programm anlässlich des 1250-jähriges Bestehens beider Dörfer eingeladen. Zwölf Winzer kredenzten das Beste was ihre Keller zu bieten haben. Dazu wurden schmackhafte Köstlichkeiten an den Pavillons entlang des „Schienepädels“ offeriert.
Das „Pädel“ war die kürzeste Verbindung zwischen beiden Orten und heißt so, weil dort bis 1955 über vierzig Jahre lang die Straßenbahn, im Volksmund „Die Schneck“ genannt, verkehrte. Die zumindest in den Köpfen älterer Mitbürger noch präsenten, heute aber leider nur noch imaginär verlegten Schienen wurden jedenfalls bestens geschmiert.
Los ging es am Samstag um 16 Uhr, als die Ortsbürgermeister Reinhard Walter (Böchingen, CDU) und Peter Henrich (Flemlingen, parteilos) das erste Fest dieser Art für beide Orte eröffneten. Die Laienspielgruppe Flemlingen führte noch einmal die bereits vom historischen Ortsrundgang bekannte Szene über die „Schneck“ auf.
Passend dann das erste Lied der Straßenmusikanten „Die Käfer“, die mit „It never rains in Southern California“ das traumhafte Wetter besangen. Doch wer musste an diesem Abend schon nach Kalifornien?
In Böchingen und Flemlingen hieß es „It never rains in the Südpfalz!“
Zwischen den Ständen traf man auf eine Gruppe von Damen und Herren, die in ihren dunkelblauen T-Shirts mit gelber Schrift auffielen. „Schorleschlozzer“ stand da zu lesen. Was steckte dahinter? „Wir sind eine Gruppe von 15 bis 20 Leuten, die sich in loser Folge immer wieder zum gemütlichen Zusammensein trifft. Aus Karlsruhe, Wiesloch, Heidelberg, Annweiler und nicht zuletzt aus Flemlingen kommen die Damen und Herren“ klärte Hans Schanding auf. Er hatte ein Heimspiel, ist der „Schlozzervorsitzende“ doch ein echter Flemlinger. „Was heißt den Schlozzer?“ fragte eine gerade vorbeikommende Mitvierzigerin, offensichtlich nicht unbedingt der pfälzischen Sprache mächtig. „Das bedeutet so viel wie Genießer“ wurde sie aufgeklärt. „Es geht also nicht ums Saufen?“ „Nein!“ wehrten sich die „Schlozzer vehement. „Dann bin ich hier falsch“ lachet die gutgelaunte Dame und zog eine Station weiter.
Schon um 18 Uhr bildeten sich Schlangen vor den Essenständen. „Das dauert ja ewig“ stöhnt einer, obwohl er nicht gerade so aussieht, als ob er gleich vom Fleisch fiele. Ein anderer bleibt ganz gelassen. „Reg dich doch nicht auf, es ist halt viel los hier“. Stimmt, es sind schon einige hundert Besucher, die sich über die Festmeile drängen. „Das spricht aber doch für unser Fest, wenn es so angenommen wird“ stellte Peter Henrich erfreut fest. An anderer Stelle der Festmeile wird die fehlende Präsenz von Schoppengläsern und Schorle bemängelt, doch dies war sicher nicht die Intention dieses Festes. „Stil im Stilglas“, das passte zu den Feierlichkeiten eines Jubiläums schon.
Aber so ist das eben, die Geschmäcker sind verscheiden. Beim einen ist das Glas halb leer, beim anderen hingegen halb voll. Ob des Andrangs hatte sich Peter Henrich auf den Weg gemacht um für Nachschub zu sorgen. Eine große Schüssel „Liptauer“ sollte die Hungernden befriedigen. Die Anlieferung erfolgte „Äragerecht.“, Passend zu den fünfziger Jahren fuhr Henrich im dreirädrigen „Piaggio“ mit Ladefläche vor. „Wenn das so weitergeht sind wir ja heute schon ausverkauft“ lachte er. Auch die politische Prominenz machte dem Fest ihre Aufwartung. Die Bürgermeister der Verbandsgemeinden Landau Land und Edenkoben, Torsten Blank und Olaf Gouasé genossen das schöne Ambiente in froher Runde. Blank hatte gerade die Gemarkungsgrenze überschritten. „Das war gerade sozusagen eine feindliche Übernahme“ gab er in Anspielung auf den temporären Verbandsgemeindewechsel lachend kund.
Die Ausstellung historischer Fahrzeuge am Sonntag auf dem Böchinger Parkplatz in unmittelbarer Nähe des Heimatmuseums ließ Nostalgiker in längst vergangenen Zeiten schwelgen. Hauptorganisatorin Regina Schweppenheiser aus Böchingen hatte es geschafft, dass sich mehr als 60 Traktoren schon morgens um 11 Uhr dort tummelten. Eine geradezu internationale Fahrzeugpräsentation, kamen die Lanz, Deutz, Bucher, McCormick, Lamborghini oder Ferguson doch aus Deutschland, Italien, der Schweiz und den USA. Nicht zu vergessen die besonders in der Pfalz sehr beliebten Eicher und Holder. Der mit älteste Traktor hatte noch nicht einmal eine weite Anreise, gehört der „Schlüter“, Baujahr 1950, doch Jürgen Anselmann aus Weyher. Ein Porsche aus dem Jahr 1961 stand da wie aus dem Ei gepellt. Es schien als hätte er erst vor wenigen Stunden die Fertigungshalle verlassen. Das rote Gefährt war zwar nicht mit einem der bekannten 911er zu verwechseln, aber kaum weniger legendär. Porsche hatte eben zu früheren Zeiten neben Sportwagen auch noch Traktoren in seinem Fahrzeugangebot. Porsche neben Lamborghini, was sonst nur auf Automobilmessen wie der IAA in Frankfurt möglich ist, das ging in an diesem Tag in Böchingen. Dann noch ein „NSU Pony“ aus dem Jahr 1938 mit dem Heinz Eckerle aus Gossersweiler nach Böchingen „geritten“ kam. Ein wunderschönes schwarzes Motorrad. In zeitgenössischer Lederhose und schwarzem Helm meinte man Eckerle wäre einem Film aus der bekannten Indiana-Jones-Film-Reihe entsprungen.
Neben zahlreichen interessierten Besuchern, die einfach nur die Schönheit der alten Gefährte genießen wollten, schien auch echtes Fachpersonal anwesend zu sein. Anders jedenfalls ließ sich der folgende kurze Dialog nicht erklären. „Startet man deinen mit Glühkerze?“ „Ja, das geht bei dem Modell gar nicht anders. Aber ich nehme immer nur eine halbe, das reicht!“ Spanische Dörfer für den Laien. Die alten Traktoren im restaurierten Gewand waren auf jeden Fall ein Highlight des doppelten Dorf-Jubiläums.
Angesichts der wirklich prächtigen Stimmung an beiden Tagen sollten die Verantwortlichen vielleicht einmal überlegen eine Neuauflage dieses Events ins Auge zu fassen. Es muss ja nicht erst bei der 1275- oder gar der 1300-Jahr-Feier beider Gemeinden sein.
Text von Heinz Lambert