27/05/2024
Eine Geschichte, die mich zu Tränen gerührt hat…So toll geschrieben. Danke, Soli Tek fürs Einstellen ❤️
Charly - Ein Hund erzählt seine Geschichte...
Langsam öffnet sich die eiserne Tür.
Ein lautes und schrilles Schleifen über dem Boden ist zu vernehmen.
Stille.
Ich höre das kurze Klicken eines Schalters.
Das Licht geht an und ein Mann betritt mit festen Schritten den Raum.
Hinter ihm das Klappern von lockeren Rollen.
Es ist Michael, unser Pfleger.
Er zieht den schweren Futterwagen hinter sich her.
Ein freundliches, aber bestimmtes "Guten Morgen ihr Schnarchnasen, Futterzeit!" ruft es mit ruhiger Stimme in den Raum.
Ich werde von dem aufgeregten Gitter rascheln und Bellen der anderen wach.
Langsam öffnen sich meine Augen.
Ich richte mich auf.
Ein langes Strecken, kurzes Schütteln und mit einem verschlafenen Gähnen begrüße ich Michael.
Ich freue mich ihn zu sehen.
Meine Rute schlägt freudig gegen das Gitter.
Michael, unser Pfleger, ist 23 und seit 5 Jahren bei uns.
Er hat eine Ausbildung zum Tierpfleger und selber einen Hund.
Eine Jack Russel Hündin. Mia.
Manchmal bringt Michael seine Mia zu uns mit.
Es ist jedesmal schön, Gesellschaft von außerhalb zu haben.
Das passiert hier selten.
Während Michael grade die Näpfe befüllt und verteilt, möchte ich euch erzählen wer ich bin.
Sie nennen mich "Charly, unser Glücks-Hund".
Ich weiß nicht ob das mein richtiger Name ist.
Denn, wie ich hier hingekommen bin, daran kann ich mich nicht mehr erinnern.
Sie sagen, ich sei ein Glückshund. Manchmal höre ich sie Reden wenn sie an meiner Box stehen.
Dann höre ich Wortfetzen "Bahnsteig, Schienen, Geschwister, Karton...".
An meine Geschwister kann ich mich nicht erinnern.
Ich kenne nur meine Geschwister hier aus unserem Raum.
Alle unterschiedlichen Alters, Rasse und Herkunft.
Jeder von ihnen mit einer anderen, aufregenden Geschichte.
Ich habe leider keine Geschichte.
Ich kenne sie nicht.
Ich erinnere mich nur an den warmen Saugnippel und das warme leckere Getränk und die weichen, liebevollen Hände die mich während der Fütterung hier, fest und sicher hielten..
Ich glaube ich bin jetzt 5 Jahre alt. Michael, hatte das einmal bei seiner Kontrolle gesagt als fremde Leute neben ihm an meiner Box standen.
Diese Leute rochen irgendwie komisch.
Den Geruch kannte ich nicht und ich fühlte mich etwas unwohl.
Da war auch ein kleiner, zappeliger und schreiender Mensch dabei.
Ich erinnere mich noch, wie dieser Mensch die ganze Zeit an das Gitter meiner Box geschlagen hat mit seinen Händen.
Ich fühlte mich sehr unwohl.
Ich weiß noch wie Michael sagte, ich sei "leider nicht der Richtige Hund".
Ich glaube, er hat bemerkt das ich mich unwohl fühlte..
Michael ist ein guter Pfleger.
Er ist mein Freund.
Der einzige Menschenfreund den ich habe.
Oft steht er nach seinem Feierabend noch minutenlang an meiner Box, streichelt mir sanft über den Kopf, durch mein Fell und erzählt mir von sich.
Ich liebe seine ruhige und sanfte Stimme.
Dann fühle ich mich sehr wohl.
Ich schmiege mich dann mit meinem Kopf immer an seine warme Hand und schließe meine Augen.
Ich höre ihn leise sagen:
"Bald Charly. Bald wirst auch du dein Glück, deine Geschichte, finden. Der richtige wird kommen. Schlaf gut mein treuer Freund.
Ich werde auf dich aufpassen. Versprochen!"
Oft bin ich traurig wenn uns, mich und meine Geschwister hier, fremde Menschen besuchen.
Die meisten von ihnen kommen durch unsere Tür und laufen dann den langen Gang direkt bis zum Ende durch.
Man hört dann immer ein lautes Lachen, freuen und alle möglichen anderen unbekannten Geräusche.
Am Ende des Ganges sind die Boxen mit den Welpen.
Ich weiß nicht woher sie kommen, wer sie bringt.
Ich sehe sie nicht.
Ihre Boxen stehen absichtlich weiter von unseren entfernt.
Michael sagt immer, sie wären leider die erste Wahl wenn uns Menschen besuchen.
Vorallem bei den kleinen, zappeligen Menschen.
Ich verstehe nicht warum das so ist.
Ich spüre aber die Traurigkeit in Michaels Stimme, wenn er das zu uns sagt.
Ich kenne Michael lange.
Ich vertraue ihm sehr.
Ich spüre sofort, wenn ihn etwas bedrückt und er traurig ist.
Dann lecke ich immer sanft seine Hand und blicke zu ihm herauf.
In seine Augen.
Michael schaut dann immer ganz freundlich und ich spüre das seine Trauer langsam verschwindet.
An meine Box kommen selten Menschen.
Ich weiß nicht warum.
Michael sagt immer, schwarze Hunde haben es etwas schwerer.
Die Menschen entscheiden sich lieber für junge, kleine Hunde.
Wie für die Welpen am anderen Ende unseres Raumes.
Ich verstehe das nicht.
Ich tue niemandem etwas.
Ich mag doch Menschen.
Wenn Menschen an meine Box kommen, dann freue ich mich.
Ich wedel dann immer mit meiner Rute, lege meine Ohren zurück, ziehe mein allerbestes Welpengesicht auf.
Doch trotzdem bleiben sie nie lange stehen.
Sie gehen meist ohne einen Blick zu mir, einfach weiter.
Vielleicht muss ich mir etwas anderes überlegen?
Ein Kunststück oder so.
Aber was kann den schon ein Hund wie ich machen?
Ich h**e meine Pfote ans Gitter.
Strecke sie weit, Richtung der Menschen.
Ich mache Sitz, Platz.
Manchmal drehe ich mich sogar auf meinen Rücken und zeige ihnen meinen Bauch.
Michael sagte Menschen mögen das.
Mein Rücken schmerzt dann immer vom harten, kalten Boden meiner Box, aber das ist mir egal.
Ich möchte einfach gefallen.
Ich schaffe es einfach nicht ihre Aufmerksamkeit zu wecken.
Sie gehen trotzdem an meiner Box vorbei.
Wenn ich schlafe, dann träume ich sehr oft von einem anderen Zuhause als das meine hier...
Ich träume dann von Menschen die freundlich zu mir sind und sich freuen wenn sie mich sehen.
Wie sie mit mir zusammen draußen über die Wiese laufen, mir den Ball zuwerfen, und wie ich bei ihnen liege, meinen Kopf auf ihre Beine gelegt und eine Hand die mir durchs Fell streichelt.
Eine Stimme die zu mir sagt - "Ich liebe dich Charly".
Es ist aber leider nur ein Traum, den ich jeden Tag aufs neue hier träume.
Ich bin immer sehr froh wenn Michael an meiner Box steht.
Ich fühle mich dann nicht mehr alleine.
"Hey mein Junge, Zeit für dein Futter!"
Michael befüllt meinen Napf, es scheint als wäre er heute besonders gut gelaunt.
Ich sehe es in seinen Augen während er mir den Napf in meine Box stellt.
Seine Hand streichelt mir liebevoll über den Kopf.
"Ich habe ein besonderes Geschenk für dich Charly."
Ein Geschenk?
Für mich?
Was kann man einem waisen Hund wie mir schon schenken..
Michael dreht sich zu seinem Futterwagen um und holt etwas aus einem spiegelnden Kasten heraus.
Ich kann nicht genau erkennen was es ist.
"Hier mein Junge, schau, DAS ist für dich!"
Michael legt es mir in meine Box neben meinen Napf.
Es riecht frisch. Neu.
Ich kenne diesen Geruch nicht.
Es ist etwas langes, dünnes.
Mit Löchern drinnen.
Und so glitzernden Dingern.
Ich weiß nicht wie man die nennt.
"Schau, ich werde dir helfen.."
Michael legt mir sein Geschenk zärtlich um meinen Hals.
Ich habe das schon einmal gesehen!
Bei meinen Heim-Geschwistern.
Wenn sie Besuch von fremden Menschen bekommen.
Menschen machen dann immer eine lange Schnur daran!
Michael öffnet meine Box und schaut mich an.
Seine Augen sind heute besonders groß.
Er lächelt mich an.
Ich lächel zurück.
"Heute ist dein Tag mein Junge"
Mein Tag?
Langsam und vorsichtig, trete ich aus meiner Box heraus.
Ich lehne mich an sein Bein und schaue hinauf zu ihm.
Er holt aus seiner Tasche diese lange Schnur heraus und macht sie an dem Ding an meinem Hals fest.
Meine Neugier steigt als wir zusammen den Gang hinunter gehen.
Wir sind schon oft zusammen durch die Türe gegangen, aber dieses mal ist es ein anderes Gefühl was ich spüre.
Ein schönes Gefühl.
Etwas pocht in mir.
Michael schaut zu mir herunter -
"Vertraust Du mir?" fragt er mich mit ruhiger Stimme.
Natürlich vertraue ich dir.
Du bist mein Freund!
Mein einziger Freund..
Ich lecke seine Hand während wir durch die Türe gehen...
Ihr fragt euch jetzt sicherlich was geschehen ist?
Nun, ich möchte es euch erzählen.
Ich bin Charly.
Ein waisen Hund, der als Welpe mit vielen anderen Welpen zusammen gefunden wurde und im Tierheim aufgewachsen ist.
Ein Hund, den niemand haben wollte,
der mit seinen leiblichen Geschwistern zum Sterben in einem Karton ausgesetzt wurde.
Ein Hund, ohne besondere Fähigkeiten, der keine Kunststücke kann, der nicht gesehen wurde, der keine Geschichte hatte.
Bis zu jenem Tag.
Bis ich Michael getroffen habe.
Meinen Pfleger.
Der mir ein Freund wurde und in mir ein Lebewesen gesehen hat, dem er seine ganze Liebe und Beachtung geschenkt hat.
Heute bin ich 10 Jahre alt.
Ich lebe seit 5 Jahren bei einem wundervollen Menschen.
In einem wundervollen Zuhause mit einer wundervollen Schwester.
Michael, mein Pfleger, der mich all die Jahre hat aufwachsen sehen, mir ein Freund wurde, nahm mich damals aus dem Heim mit zu sich und Mia.
Seither lebe ich bei ihnen.
Das war sein Geschenk an mich..
Ich denke oft an meine Waisenzeit zurück.
An meine Heim Geschwister, ob es ihnen gut geht, ob sie auch ihr Zuhause gefunden haben so wie ich?
Ich wünsche es mir sehr für sie.
Jede Nacht, kurz bevor ich einschlafe,
denke ich an sie und bete.
Bete für all die Waisenhunde, das sie gesehen werden.
Ihre Menschen finden.
Geliebt werden.
So wie ich nun..
Ich bin langsam grau um die Schnauze geworden.
Ich spüre das ich nicht mehr jung bin.
Nicht mehr so springen und toben kann wie ich es früher konnte.
Das ist für mich nicht schlimm.
Ich bin glücklich.
Ich werde geliebt.
Nur das zählt...
Ich bin kein besonderer Hund.
Ich bin nur ein Hund mit einer Geschichte.
Ich bin Charly.
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Urh**er:
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