02/02/2022
Offener Brief an die Politik
Sehr geehrte Politiker*innen,
sehr geehrte Entscheidungsträger*innen,
eines sei hier vorausgeschickt:
Ich bin kein Impfgegner, sondern gehöre zu der Mehrheit der Geboosterten.
Also zu jener Gruppe, die momentan trotz zweijähriger Loyalität zu allen Coronamaßnahmen hart bestraft wird.
Da ich als Geschäftsführer eines Catering-Betriebes mit angeschlossener Eventlocation immer mehr zu der Auffassung komme, dass sich die Politiker*innen immer weiter von der Basis und somit von der Realität entfernt haben, möchte ich auf diesem Weg einmal versuchen einen Weckruf aus der Praxis heraus zu starten.
Zur geringen Impfquote:
Daran tragen die Politik und auch einige Gerichtsurteile eine riesige Selbstschuld.
Wenn Sie glauben, mit der nun vorgestellten Plakataktion die Impflücke schließen zu können, dann bezeichne ich das als äußerst weltfremd.
Sie müssen Anreize schaffen und damit meine ich nicht die Bratwurst, sondern Freiheiten für diejenigen, die sich an alles gehalten haben.
Wie wollen Sie Menschen überzeugen, wenn die Minderheit genauso viele Rechte hat.
Nicht alle verstehen, dass eine Auffrischungsimpfung in aller erster Linie zum eigenen Selbstschutz ist. Viele haben sich nur impfen lassen, weil sie Ihre Freiheiten zurückhaben wollten. Nachdem sie nun erkennen, dass sie keine Lebensvorteile bei den Verordnungen haben, sinkt auch hier die Bereitschaft zum Boostern.
Unsere Mitarbeiter*innen sind mittlerweile alle komplett geboostert. Diese Tatsache ist weder durch Plakate noch durch Bratwürste entstanden, sondern durch sachliche Gespräche und Überzeugungsarbeit, die von genauso betroffenen Menschen wie mir zugegebener Weise besser erfüllt werden können, als von sich immer weiter entfernenden „Volksvertreter*innen“.
Nunmehr muss jedoch auch ich mich dem Personal gegenüber immer wieder erklären, warum sie trotzdem kein ausreichendes Geld verdienen dürfen.
„Was hat es uns genützt, wenn wir durch die jetzigen Verordnungen trotzdem quasi mit einem Berufsverbot belegt werden und bei hundertprozentiger Kurzarbeit unsere Familien ernähren müssen?“. Was soll ich da antworten? Die Politik gibt mir hier keine Argumente an die Hand.
Das Problem, sehr geehrte Politiker*innen, kennen Sie selbst ja nicht. Egal was passiert, als Berufspolitiker*innen bekommen Sie Ihr Geld ja zu 100 % weiter.
Aus der Sicht unserer Kunden:
Auch hierüber möchte ich Sie gerne einmal aus erster Hand informieren. Eine Hochzeit zum Beispiel, soll der schönste Tag im Leben werden.
Glauben Sie mir, ich habe in den letzten zwei Jahren mit unzähligen weinenden Bräuten gesprochen, die Ihre geplante Hochzeit nicht feiern konnten.
Einige Brautpaare haben Ihre Feier nun schon drei Mal verschoben und der vierte Anlauf scheint wieder zu scheitern. Nichts ist in diesem Bereich noch planbar.
Was die Menschen nicht mehr verstehen:
180 sich wildfremde Menschen dürfen Schulter an Schulter in ein Flugzeug gequetscht und über Stunden in den engen Sitzen über den Globus transportiert werden.
Wohingegen 50 Personen, die verwandt sind oder sich zumindest nahe stehen, selbst wenn alle geboostert wären und noch einen zusätzlichen Test machen würden, nicht in einer Location, die über ein Hygienekonzept verfügt und enorme Summen in Luftreinigungssysteme investiert hat, eine Hochzeit feiern dürfen.
Tausende Zuschauer*innen dürfen sich, wie letzte Woche in Magdeburg geschehen, beim Torjubel ohne Maske in den Armen liegen und zum fünfzigsten Geburtstag oder der Silberhochzeit muss man sich auf 10 Personen beschränken.
Ab diesem Wochenende dürfen - entgegen der Bund- Länderkonferenz (Geisterspiele) - Werder Bremen ebenso wie Bayern München wieder vor 10.000 Zuschauern spielen.
Das Bundesland mit der bei weitem niedrigsten Impfquote (der Freistaat Sachsen) lässt insgesamt wieder 25 % Zuschauer*innen bei allen Sportveranstaltungen zu. Für RB Leipzig bedeutet das immerhin 11.000 Zuschauer*innen.
Uns soll nun verkauft werden, dass die Kontaktbeschränkung auf 10 Personen daran liegt, dass noch zu viele Menschen ungeimpft sind. Dass diese Tatsache ausgerechnet die 75 % bundesweit und in einigen Bundesländern sogar 85 % Geimpften ausbaden sollen, übersteigt mein demokratisches Verständnis. Bislang dachte ich immer an Mehrheitsentscheidungen.
Berufen Sie sich bitte auch nicht mehr auf die Wissenschaft, auf die Sie zu lange nicht gehört haben. Es sei denn, Sie können mir plausibel und wissenschaftlich darlegen, warum der Genesenenstatus bei der gemeinen Bevölkerung 3 Monate und bei Bundestagsabgeordneten 6 Monate lang gilt.
Die in diesem Abschnitt geschilderten Logiken versteht keiner mehr und dies nehmen die Menschen Ihnen als Entscheidungsträger*innen vermehrt übel.
Schaffen Sie wieder eine gleiche Wichtung, sonst wird die Politikverdrossenheit immer größer.
Profitieren werden dadurch nur die, die so tun, als würden sie die Menschen verstehen. Treiben Sie die Leute nicht noch mehr in die Arme von Scharlatanen.
Der wirtschaftliche Schaden in unserer Branche:
Er ist schon jetzt nicht mehr zu beziffern und es ist zu befürchten, dass einige die neuerlichen Maßnahmen finanziell nicht überstehen werden.
Zeitgleich mit den einem Berufsverbot gleichkommenden Maßnahmen, werden Hilfen nun noch zusätzlich bei dem Fixkostenausgleich gekürzt und die Unternehmen müssen bei der Kurzarbeit nunmehr wieder 50 % der Sozialabgaben für Ihre Mitarbeiter*innen selber tragen. Und dass obwohl diese ja zur Untätigkeit verdammt sind und nichts Produktives für das Unternehmen leisten können.
Wie lange so etwas bei Null Umsatz gut gehen soll, würde ich hier gerne von Ihnen aus der Politik beantwortet haben.
Die Perspektiven unserer Branche:
Nachdem nun erste Lockerungsrufe aus den Ländern lauter werden, vermisse ich bei den Perspektiven jedoch wieder einmal etwas für uns.
Die Öffnungsszenarien, die diskutiert werden sollen, beziehen sich auf den Wegfall der 2G-Regel im Einzelhandel (Andreas Bovenschulte, Bremen), auf Fußballstadien und andere Großveranstaltungen sowie auf die Kultur (Markus Söder, Bayern). Kein Gedanke wird hier im Vorfeld an Gastronomie und Veranstaltungsgastronomie sowie Familienfeiern in Locations verschwendet.
Aber gerade in diesem Bereich bedarf es einer wesentlich längeren Vorbereitungszeit. Wir können nicht einfach aufschließen und schon finden Hochzeiten usw. wieder statt.
Hier hängen in der Planung noch viele andere zu koordinierende Gewerke dran. Friseur*innen, Hotels, DJs, Fotograf*innen, Florist*innen, Redner*innen, Kirchen, usw.
Ich würde mir wünschen den Brautpaaren und anderen Auftraggeber*innen auf die zahlreichen Fragen wie
„Geht das zu unserem Termin wieder?“
antworten zu können, jedoch sind auch wir als direkt Betroffene auf Meldungen aus den Medien angewiesen und können keine Zukunftsprognosen abgeben.
Das führt zu einer Vielzahl an Stornierungen bis mittlerweile in den Sommer hinein.
Ist unseren niedersächsischen Politiker*innen die heimische Wirtschaft egal?:
Während andere Bundesländer zumindest über eine Rückkehr zur Normalität nachdenken, verlängert Niedersachsen nach der Weihnachtsruhe die umbenannte Winterruhe abermals bis zum 23.02.2022. Also acht Tage länger als die bundesweiten Beschlüsse gelten.
Das nächste Bund-Länder-Treffen findet am 16.02.2022 statt. Niedersachsen greift schon mal sicherheitshalber vor, falls es doch dabei zu Lockerungsbeschlüssen kommen könnte.
Soll die Winterruhe dann nahtlos in die Frühlingsruhe und im Anschluss in die Osterruhe übergehen?
In Dänemark schnellen die Kurzurlaub-Buchungen coronamüder deutscher Tourist*innen sprunghaft in die Höhe, weil sie sich nach freieren Bewegungsmöglichkeiten trotz Inzidenzen jenseits der 5.000 sehnen.
Andere Länder ziehen vermehrt nach, was wieder dazu führt, dass die Bevölkerung statt eines Kontaktverbots mit wildfremden Menschen in ein enges Flugzeug steigt und an Orten mit wesentlich höheren Inzidenzen ausgelassen in Clubs und Diskotheken feiert.
Wenn Ihnen das lieber ist, dann bleiben Sie ruhig bei Ihren Entscheidungen.
Die Hotelbetreiber*innen und Gastronom*innen werden in unserem schönen Bundesland mit seinen Inseln und Stränden, der Lüneburger Heide und dem Harz hingegen wieder einmal hängen gelassen.
Sehr geehrter Herr Weil,
sehr geehrter Herr Althusmann,
denken Sie bitte bei Ihren Beschlüssen auch an die diesjährigen Landtagswahlen um den Extremisten hier nicht Tor und Tür zu öffnen.
Auch wenn ich befürchten muss, genau wie bei meinen ersten offenen Briefen und einigen direkten Anschreiben, wieder keine Antwort zu erhalten, musste ich mir dennoch den Frust einfach einmal von der Seele schreiben.
Wolfgang Richter
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