16/05/2022
Schockstarre! Wir müssen raus! Echt jetzt? Moment mal, was da los?
Hier wars lange still um uns, während die Situation in unserer LieblingsKrawattenFabrik ganz schön hochkocht.
Versuch einer Zusammenfassung der schlechtesten Nachrichten: Wir müssen raus! Räumungstitel zu Ende Juni. Wir klagen Berufung für den Bundesgerichtshof ein (ja, im Ernst! Das Urteil des Kammergerichts sieht KEINEN Widerspruch vor, weil die Sachlage ja ach so eindeutig ist). Wir räumen das Atelier zu Ende Mai. Die Schadensersatzforderungen könnten uns sonst das Genick brechen.
Nochmal die Hard Facts: Wir räumen das Atelier zu Ende Mai (und weinen heimlich ständig und weinen wütend laut). Bis die Berufung durch ist, bleiben wir standhaft in der Wohnung. Falls die Berufung abgelehnt wird, geht alles ganz schnell und wir müssen alle (inklusive zwei kleinen Knirpsen) innerhalb von 2-3 Wochen raus. Wir packen also schonmal unsere Sachen. Alle! ...und weinen heimlich ständig und weinen wütend laut!
Was ist passiert?
Wie ihr alle wisst, wurde unser Haus vor 2-3 Jahren an einen neuen Eigentümer (namens Hollmann) verkauft. Der Vorkaufsprozess wurde durch die Abwendungsvereinbarung abgewendet. Damals sagten uns viele: "Heißt ja nicht, dass der euch rausschmeißt". Die ehemaligen Eigentümer sagten uns: "Wir haben extra drauf geachtet, dass es keiner der schwarzen Schafe auf dem Immobilienmarkt ist." Hat wirklich irgendwer ernsthaft daran geglaubt uns würde es anders ergehen, als den anderen 100 (tausend) Häusern dieser Stadt? Nö!
Unser Gewerbemietvertrag, der sich in einen Vertrag mit Wohnmietverhältnis und -recht umwandelte, weil wir selbst über 11 Jahre Schweiß und Kraft in den Aufbau und die Umnutzung der Wohnung gesteckt haben, ging zu Ende und damit flatterte die Räumungsklage ins Haus. Die 1. Gerichtsinstanz, das Berliner Landesgericht, entschied zu aller Überraschung ziemlich schnell innerhalb von 3 Monaten, dass es sich eindeutig um ein Mietsverhältnis mit Wohnmietrecht handelt und damit der Wohnkündigungsschutz ohne Befristung greift. Am Tag der Köpi-Räumung war unser Gerichtstermin. Der Richter fand die Rechtslage und die Historie der Mietvertrags-Entstehung und Handhabung des Mietsverhältnisses eindeutig als Wohnmietverhältnis! Wir konntens kaum glauben, wir hatten gewonnen! Eine der wenigen guten Nachrichten dieses historischen Tages...
Die Gegenseite: Herr Hollmann! war nicht am Gerichtstermin vertreten und hat auch noch nie auf unsere Schreiben/Treffensvorschläge reagiert... und ging in Berufung ans Kammergericht. Innerhalb von wieder wenigen Monate, entschied das Kammergericht der Argumentation der Gegenseite zu folgen. Das hieß: Es handelt sich um Gewerbemietrecht, weil doch über dem Vertrag Gewerbemietvertrag steht und das ganze Ding doch nach nem Gewerbemietvertrag aussieht...? Öhh ja genau, beurteilen wir die Rechtslage doch lieber immer nur von außen und nie nach der Gemengelage von innen. Und weil die Sachlage so eindeutig ist, und kein Richter vorher zu einem völlig anderen Urteil gekommen ist, sieht das Urteil auch noch vor, dass eine Berufung ausgeschlossen ist.
Im Ernst? Wir fühlen uns sowas von verarscht. Um dem ganzen noch eins draufzusetzen, setzt der Richter bei einer Wohnung, in der Familien mit Kindern leben und bei aktueller Mietlage in Berlin, die Räumungsfrist statt auf 3 Monate auf nur 2 Monate fest. Nochmal im Ernst? Wer soll aktuell in Berlin innerhalb von 2 Monaten eine Wohnung finden und gleichzeitig die andere ausbauen?
Wir empfinden das als Willkür und fragen uns, wie kann der erste Richter zu einem völlig anderen Urteil kommen als der zweite? Unser Eindruck war, der zweite Richter hatte sich mit unserem Fall inhaltlich nicht wirklich auseinandergesetzt und als er "Wohnprojekt" gelesen hat, direkt die Nase gerümpft und seine politische Haltung nach vorn gestellt. Weil, was er ernsthaft in der Verhandlung sagte: "Ist ja nur ne WG". Ja klar, ist nur ne WG, in der 8 Personen und 2 Kinder kollektiv leben, 12 Künstler*innen Arbeitsplätze haben und wir hier Kunst und Kultur betreiben, mit der die Investoren dieser Stadt indirekt Rendite machen.
Wir könnten uns jetzt hier noch Zeile um Zeile politisch auslassen. Aber um das abzuschließen: Wir wollen bleiben, müssen aber das Atelier erstmal auflösen. Wir sind langsam am Ende der Kräfte, aber mobiliseren alles was noch gehen kann. In den nächsten Wochen wird es ein paar Veranstaltungen geben: Alles muss raus-Flohmärkte, Abrissparties, Räumungskrawalle und Kundgebungen.
stay tuned und steht uns beiseite, wir können grad viel support gebrauchen - sei es auch nur mental
ttt bleibt!