06/05/2024
Saarbrücker Zeitung vom 06.05.2024
Mehr als einen Großbrand überstand die Mühle
Dem Ende des Jahres neu eröffneten Mühlencafé gab sie ihren Namen. Das Mehl, das die Familie Blum einst in Wiebelskirchen mahlte, kannte jedes Kind: Weizengold entstand hier bis in die 80er Jahre. Doch seit wann gab es eigentlich hier an der Blies eine Mühle und was ist aus ihr geworden?
Die ehemalige Mühle Blum in Neunkirchen-Wiebelskirchen: Bis in die 1980er Jahre wurde hier noch Mehl hergestellt. FOTO: ARCHIV OLAF SCHULER
VON ELKE JACOBI
NEUNKIRCHEN | Durch das Mühlencafé , den einstigen Schwitzkasten, hat die alte Mühle, die Altmühle, in Neunkirchen -Wiebelskirchen quasi noch einmal neue Berühmtheit erfahren. Bei der Namensfindung des Cafés hatte die Nähe zur ehemaligen Mühle den Ausschlag gegeben. Fotoreproduktionen und eine Zeichnung erweisen der Namensgeberin Ehre.
Bis in die 80er-Jahre wurde hier in der Mühle Weizen zu Mehl verarbeitet, weiß Olaf Schuler vom Heimat- und Kulturverein des Ortes. Endgültig geschlossen, so Schuler, wurde sie im Januar 1986. Klar ist – so kann man im Archiv der Saarbrücker Zeitung nachlesen – in den 90er-Jahren fanden in und vor der still gelegten Mühle Kulturveranstaltungen statt. Ende der 1990er gab es gar einen Antrag, die Mühle wieder zur Stromgewinnung zu nutzen. Danach wird es auch im SZ-Archiv still um die Mühle. Heute sind in dem Gebäude an der Blies Wohnungen.
Genauso im Dunkeln wie der Zeitpunkt ihrer Schließung ist auch der ihrer Entstehung. Im Heimatbuch Wiebelskirchen von 1955 schreibt Kurt Hoppstädter, dass bereits im 18. Jahrhundert Bannbücher eine Reihe nach einer Mühle benannte Namen aufweisen: Mahlmühlplatz beispielsweise, oder Mühlenwehr, Mühlenberg, Mühlwies. Doch schon zwei Jahrhunderte zuvor, nämlich 1537, ist erstmals die Rede von einem Müller in Zusammenhang mit der vom Grafen ausgeschriebenen so genannten Fräuleinsteuer (eine Steuer, die bei der Vermählung einer Fürstentochter fällig wurde, Anm. d. Red.).
Am 1. Oktober 1605 soll die Mühle, gebrannt haben. Von einem „erneuten Brand“ ist da die Rede. Und es war auch nicht der letzte. Dem damaligen Müller Dillmann war, so schreibt Hoppstädter, befohlen worden, die Mühle wieder aufzubauen. Da der aber schon all sein Geld zuvor in die Mühle investiert hatte, fehlte ihm das entsprechende Geld. Da ihm offenbar auch nicht ausreichend Geld geliehen oder Pacht erlassen wurde, musste die Gemeinde den Wiederaufbau finanzieren. Schließlich wurde die Mühle dringend gebraucht.
Das hätte auch Dillmanns Nachfolger gerne in Anspruch genommen, als das Dach neu gedeckt werden musste. Die Gemeinde ihrerseits bat die Regierung darum, jedoch vergebens. Die Bitte des Müllers, die Zeitpacht in eine Erbpacht umzuwandeln, wurde abgelehnt. Auf den Müller Trenz folgten ein Müller Paschalius und ein Martin Holler. Letzterer betrieb außerdem in der Atzelhiems die Atzelmühle, die einsprang, wenn die andere Mühle wegen Hochwassers nicht arbeiten konnte. Im sogenannten Schreckensjahr 1635, als während des Dreißigjährigen Krieges vielerorts im Land ganze Dörfer ihre Einwohner verloren, ging auch die Mühle unter.
Schließlich wurde sie wieder aufgebaut. Nun allerdings nicht mehr auf der rechten Bliesseite wie gehabt, sondern an ihrer jetzigen Stelle. Eigentümer war 1679 Johan Wagner Mahlmüller, dem auch eine Sägemühle bei Schiffweiler gehörte. Aufgeben musste er schließlich, weil er die seit drei Jahren nicht gezahlte Pacht nicht begleichen konnte. Ihm folgten erste Johannes Harig (1684) und schließlich dessen Sohn Johannes Nickel Harig (1710). Bekannt ist, dass schließlich der Schweizer Einwanderer Johannes Blatt – er war 1725 als Schneider hierhergekommen – 1730 einen Erbbestandsbrief für die Wiebelskircher Mühle erhielt.
Jährliche Erbpacht an die Amtskellerei Ottweiler: Vier Gulden, vier Malter Korn, zwei Pfund Wachs, zwei Pfund Gewürz und zwei Kapaunen. Verwalter der Mühle war Josef Müller. 1746 übernahm Blatts Schwiegersohn Sebastian Jochum aus Neunkirchen. Vier Generationen blieb sie nun im Besitz der Familie. 1774 erhielt Josef Jochum den Erbbestandsbrief, zählte seine Geschwister und die Mutter aus: 1044 Gulden, vier Albus und vier Pfennig. Ein Jahr später, am 18. Februar 1775, erhielt er die Genehmigung, an die Mahlmühle eine Ölmühle anzubauen.
Mit dem tragischen Tod von Sebastian Jochums Urenkel Peter Jochum am 23. Julie 1857 endete die Zeit der Jochum-Müller. Wie Hoppstädter schreibt, wurde Peter Jochum erschlagen, weil er viel Geld bei sich hatte. Dessen Tochter heiratete den Steiger Veith, die Mühle wurde verpachtet. Pächter Jakob Baltes blieb viele Jahre in der Mühle. Es folgten Müller Elinger aus Niederlinxweiler und Motsch aus Ottweiler. Schließlich kaufte 1898 der Wiebelskircher Grubenschlosser Johann Fritz, auch Blatterhannes genannt, die Mühle mit allen Ländereien.
Aus dem Winter 1906 wird nach langer Zeit erneut ein Brand der Mühle bekannt. Die Bewohner konnten, so Hoppstädter, nur das nackte Leben retten. Doch Fritz baute die Mühle wieder auf. 1912 dann schließlich verkaufte er sie an den Bäcker Jakob Blum aus Waldmohr. Der modernisierte den Mühlenbetrieb. Er entfernte die Mühlräder, ersetzte sie durch Turbinen, vergrößerte.
Doch in der Nacht von 14. auf den 15. April legte ein Großfeuer die Mühle erneut in Schutt und Asche. Unverzagt wurde sie sofort wieder aufgebaut, konnte im Januar 1932 wieder ihren Betrieb aufnehmen und hat sich bis zu ihrer Schließung im Januar 1986 ständig weiterentwickelt, wurde zu einem weitbekannten und neuzeitlichen Unternehmen.
Doch die Zeiten wandelten sich. Immer weniger Menschen brauchten Mehl, Selber Backen war nicht mit angesagt. Viele Mühlen mussten schließen. Im Bäckereimuseum in Ottweiler kann man Tüten aus verschiedenen Herstellungsjahren sehen, die Mehl der Wiebelskircher Mühle Blum enthielten. Wer im Internet nach der Mühle Blum in Wiebelskirchen sucht, der stößt außerdem auf ein tolles Kuriosum.
Denn Stefan Blum, bekannt als Münchens letzter Müller und Betreiber der Hofbräuhaus-Kunstmühle scheint ein Nachfahre der Müllerdynastie in Wiebelskirchen zu sein. Wie es heißt, kaufte sein Urgroßvater Jakob Blum aus dem saarländischen Wiebelskirchen 1921 die Mühle beim Hofbräuhaus auf und baute moderne Walzstühle und Plansichter dort ein. Heute betreibt Blum hier eine Schaumühle und eine Bäckerei.