28/12/2023
Von Christoph Heinzel
Vechta . Heiner Olberding wehrt sich gegen neue Regeln bei Spotify. Ab 2024 werden nur noch Songs vergütet, die jährlich mindestens 1000 Streams sammeln. Zusätzlich wird nach Angaben von Spotify ein Song erst dann als „berechtigt“ eingestuft, wenn er zum ersten Mal überhaupt diese Zahl erreicht.
Diese Mindestgrenze wiederum ist an eine nicht genannte Mindestzahl von Hörern gekoppelt. Dies schreibt Pro Musik, der Verband freier Musikschaffender, in seiner Onlinepetition gegen das Vorhaben von Spotify. Künstler wie Gregor Meyle, Max Mutzke, Mrs. Greenbird oder Stoppok haben das Statement unterschrieben.
„Was Spotify macht, ist unverschämt“, bezieht Heiner Olberding klar Stellung. Der Streamingdienst nutze die künstlerische Kreativität einer Vielzahl von Musikern, ohne diese Leistung finanziell zu honorieren. Heiner Olberding weiß, wovon er spricht. In der Region legte er 45 Jahre lang auf dem Stoppelmarkt, Festen und privaten Feiern als DJ Ohrwurm auf. Im letzten Jahr beendete er seine Karriere. Über sein Musiklabel Chance Music produzierte er Jahrzehntelang Musik, unter anderem mit Mike Krüger oder Carlo von Tiedemann. Heiner Olberding steckt hinter dem Stoppelhit „HeHo Stoppelmarkt“. Von etwa 200 Veröffentlichungen seien noch etwa 140 aktiv. Auf jeder befinden sich mindestes zehn Lieder. Damit konnte er bislang über Spotify noch etwas verdienen. Nun bricht diese Einnahmequelle weg. Ein Song brauche ab 1. Januar 2024 jährlich 1000 Streams, bevor der Künstler Geld sieht. Und das ist nicht viel. Pro gestreamtem Song erhielten Künstler 0,034 Cent, berichtet der Branchenkenner.
Durch die angekündigten Änderungen gehe die Schere zwischen besonders erfolgreichen Musikern und kleineren Musikern noch weiter auseinander, so Pro Musik. Das sieht auch Heiner Olberding so und fügt noch an, dass es darüber hinaus um den Erhalt der Vielfalt innerhalb der Musikbranche gehe. Aber richtig wütend macht ihn das Ansinnen von Spotify, etwas zu nutzen – also die künstlerische und kreative Leistung von Musikern – ohne dafür zu zahlen. Das Ergebnis: „Der Kleine bleibt dabei auf der Strecke.“
Eventuell wird die Musik von der Plattform abgezogen
Er hofft, das genug Druck auf Spotify ausgeübt werden kann, diese Änderung der Vergütungsregeln zurückzunehmen. Zudem bestehe die Überlegung, die eigene Musik von der Plattform abzuziehen, bis eine neue Regelung gefunden ist.
Das Herunternehmen der Lieder sei schnell gemacht, doch diese nach einer Einigung wieder hochzuladen, erfordere eine Menge Arbeit, alte Lieder und Informationen auf den derzeitigen Standard anzupassen. „Wehret den Anfängen“, meint er. Heiner Olberding befürchtet, falls Spotify mit dieser Regelung durchkommen sollte, dass andere Musikplattformen nachziehen und die Situation weiter verschärfen. Für den ehemaligen DJ ist es aktuell keine einfache Situation.
Heiner Olberding ist gesundheitlich angeschlagen, kann derzeit nicht arbeiten. Er kämpft mit Burnout und Tinnitus. „Ich konnte es mir selbst nie vorstellen, und plötzlich geht nichts mehr“, berichtet der Vechtaer. Es sei eine Situation, die für ihn nur ganz schwer zu akzeptieren sei. Er war es gewohnt, stets 130 Prozent zu geben.
Seine Arbeit als DJ Ohrwurm war ein Standbein, das andere war seine Arbeit als gelernter Bürokaufmann. „Ich hatte immer Spaß bei der Arbeit. Es hat sich nie wie Stress angefühlt und immer Bock gemacht.“ Doch dieser Raubbau an seinem Körper holte ihn jetzt endgültig ein. Mit der Pandemie fing es an. Er und sein Lebensplan wurden brutal ausgebremst. 2 Jahre lang hielt ihn die Hoffnung aufrecht, wieder als DJ voll einsteigen zu können, doch dann kamen 2021 ein Hörsturz, 2022 ein vierfacher Bypass und jetzt Burnout. Es ist nicht ein Faktor, der zu dieser Entwicklung führte, sondern es kam vieles zusammen, erzählt der Musikliebhaber. Heute sagt er: „Ich kann nur als mahnendes Beispiel dienen, dass weniger manchmal mehr ist.“
Als DJ erlebt man echte Glücksgefühle
Konzertbesuche geben ihm immer wieder Kraft. Doch ist dies aufgrund des Tinnitus ein zweischneidiges Schwert. Und die Glücksgefühle, die er als DJ zusammen mit dem Publikum erlebte – diese unglaublich positive Endorphinausschüttung – seien eigentlich nicht zu ersetzen. „Das kriegst du nicht wieder“, sagt Heiner Olberding. „Es ist ein täglicher Kampf“, sagt er und zeigt sich froh über den Rückhalt innerhalb der Familie und über seinen verständnisvollen Arbeitgeber. Prinzipiell ist Heiner Olberding optimistisch, alles in den Griff zu kriegen, aber einfach ist es nicht, und die äußeren Umstände rund um die Änderung der Vergütungsregelungen bei Spotify tragen nicht zu einer Beruhigung bei.