Johann aus Cordingen

Johann aus Cordingen Knecht Johann aus Cordingen, geboren 1790, ist nur eine fiktive Figur. Es gab aber viele Menschen, d

21/08/2022
Ihr geht heute zum Bäcker oder in den Supermarkt und holt Euch einfach Brot. So viel Ihr wollt, viele verschiedene Sorte...
14/07/2022

Ihr geht heute zum Bäcker oder in den Supermarkt und holt Euch einfach Brot. So viel Ihr wollt, viele verschiedene Sorten, und wenn es Euch zu alt ist, werft Ihr es weg.

Zu meiner Zeit haben wir einmal im Monat auf einem der Höfe in der Umgebung gebacken. Der hatte über Stunden den Ofen angeheizt, und die Leute der anderen Höfe kamen mit Ihren Teiglingen. Dann wurde dort das Brot für den ganzen Monat gebacken.

Frisch und in den ersten Tagen schmeckte das lecker. Nach einer Woche war das auch noch in Ordnung. Aber nach zwei Wochen oder drei war das Brot hart, und selbst mit guten Zähnen (die wir alle nicht hatten) musste man gut kauen oder in Milch "stippen". Und das taten wir.

Denn ein anderes haltbares Lebensmittel hatten wir nicht.

Es gab keine Kühlschränke, keine Konservendosen, Fleisch und Wurst gab es geräuchert oder gepökelt nur selten und an Feiertagen. Und Kartoffeln hatte zwar der alte König Friedrich fünfzig Jahre vorher eingeführt, aber in unserer Gegend pflanzten wir das unbekannte Zeug noch nicht.

Wir hatten nur Getreide, Mehl und hoffentlich Brot.
Und wenn wir das nicht hatten, blieben wir hungrig.

Früher war alles besser?!
Seid froh, dass Ihr heute leben dürft - mit so viel Lebensmitteln, dass Ihr Übergewicht habt. Und Ihr müsst nicht auf sie warten oder für sie arbeiten, ihr holt sie Euch einfach. Hin und wieder solltet Ihr dafür dankbar sein.

Bei uns war die Immenstelle damals an der Mühle hinter dem heutigen Backhaus. Das war so um 1800. Wir hatten dort rund z...
24/06/2022

Bei uns war die Immenstelle damals an der Mühle hinter dem heutigen Backhaus. Das war so um 1800. Wir hatten dort rund zwanzig Bienenstöcke, um die wir uns im Sommer auch täglich kümmern mussten. Der Vorrat an Honig musste ja über den Winter bis in den Frühling reichen.

Denn Zucker, so wie Ihr ihn heute weiß und in Kristallen habt, gab es zu meiner Zeit noch nicht. Wenn wir ein wenig süßen Geschmack an ein Essen bringen wollten, nahmen wir Honig - und das aber sparsam.

Zucker in kleinen Würfeln sah ich zum ersten Mal, als ich schon ungefähr fünfzig Jahre alt war. Das war eigentlich nur etwas für die hohen Herrschaften, den hatte mein Gutsherr seiner Frau mitgebracht. Ich hielt das für neumodischen Kram, und leisten konnte ich mir eh keinen. Aber probiert hätte ich damals schon ganz gern ...

Jemand erzählte mir, dass Ihr heutzutage mehr als sechzig Pfund (also für Euch dreißig Kilogramm) Zucker im Jahr esst. Jeder! Und ganz ohne Bienen! Was für ein Fortschritt, Ihr müsst heute alle sehr reich sein!

Als ich ein Kind war, gehörten wir zum Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg. 1801 wurde das Fürstentum dann von Preußen b...
19/06/2022

Als ich ein Kind war, gehörten wir zum Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg. 1801 wurde das Fürstentum dann von Preußen besetzt. Zwei Jahre später kamen die Franzosen, und wieder vier Jahre später waren wir Königreich Westphalen, was aber eigentlich auch Frankreich war.

Ich verstand das damals nicht so richtig, zu wem wir gehörten, aber es hatte natürlich Auswirkungen. Jeder Fürst oder König erhob andere Steuern, hatte eigene Gesetze, und suchte vor allem Wehrpflichtige für seine Armee. Davor hatte ich natürlich Angst, denn der französische Kaiser Napoleon führte viel Krieg und brauchte Soldaten. Und ich war dafür leider genau im richtigen Alter.

Mühlen hatten da eine besondere Stellung, weil sie wichtig waren für die Versorgung der Bevölkerung. Da wurde man gewöhnlich verschont, aber aufpassen musste man immer irgendwie, sonst wurde man einfach mitgenommen.

Das endete mit einer großen Schlacht bei Leipzig, dann waren die Franzosen fort, und wir gehörten zum neuen Königreich Hannover.
Eine gute Sache blieb auf jeden Fall von den Franzosen: Sie schafften die Leibeigenschaft ab. Ich war dann zwar immer noch abhängig von meinem Gutsherrn, aber nicht mehr sein Eigentum.

Als ich 24 Jahre alt war, hatten wir einen tollen Sommer und eine gute Ernte. Der Winter war gesichert. Aber das Folgeja...
16/06/2022

Als ich 24 Jahre alt war, hatten wir einen tollen Sommer und eine gute Ernte. Der Winter war gesichert. Aber das Folgejahr 1816 kam irgendwie nicht in Gang. Der Himmel war auch im Sommer verhangen, die Sonne kam selten durch. Es war kalt, es regnete viel, und unsere Äcker wurden überschwemmt. Die Ernteeinbrüche waren verheerend, die Preise für Getreide explodierten, Seuchen und vor allem Hungersnöte brachen aus. Auch auf dem Cordinger Mühlenhof starben Leute. Kindern und Alten ging es besonders schlecht. Alles das passierte gerade einmal zwei Jahre, nachdem unser Gutsherr jung gestorben war. Ich habe in meinem Leben nie eine schrecklichere Zeit erlebt.

Später nannte man 1816 das "Jahr ohne Sommer" oder auch „Achtzehnhundertunderfroren“. Es soll daran gelegen haben, dass ein Vulkan in Indonesien ausgebrochen sei und mit seiner Asche den halben Erdball verdunkelt hätte.
Ich wusste damals weder, wo sich Indonesien befand, noch, was ein Vulkan war. Aber der Hunger brachte mir bei, später sehr dankbar zu sein, wenn eine Ernte gut war und wir im Winter genug Brot hatten.

Ich wusste damals nicht, wer diese beiden Herren waren. Dafür kannte ich die Geschichten, die von ihnen gesammelt wurden...
15/06/2022

Ich wusste damals nicht, wer diese beiden Herren waren. Dafür kannte ich die Geschichten, die von ihnen gesammelt wurden. Das waren die, die man mir als Kind und auch später am Lagerfeuer erzählt hat. Besonders mochte ich den "Gestiefelten Kater", weil da zum Schluss ein Müllersohn König wurde. Das war doch 'mal 'was!

Ab und zu träumte ich auch davon, 'mal nicht nur Knecht zu sein. Aber bei mir war von Geburt an klar, dass ich nie etwas anderes sein würde. Deshalb erzählten wir uns so gern Märchen - weil unser eigenes Leben eigentlich gar nicht märchenhaft war. Aber mit den Geschichten von Prinzen, Schlössern, Schätzen und Königinnen kam man auch 'mal auf andere Gedanken.

Die Versionen, die man sich bei uns im Volk erzählte, waren allerdings drastischer als das, was die Grimms später notierten. In unserem Original war z.B. allen klar, dass die Freunde von Schneewittchen keine "Zwerge" waren.

1810 zerstörte ein Hochwasser im Winter erst das Wasserrad und riss dann das Mühlengebäude weg. Da war ich gerade 19 Jah...
15/06/2022

1810 zerstörte ein Hochwasser im Winter erst das Wasserrad und riss dann das Mühlengebäude weg. Da war ich gerade 19 Jahre alt. Was blieb meinem damaligen Chef übrig? Die Existenz seiner Familie hing davon ab, sie waren seit über 100 Jahren auf dem Hof. Also nahm er alles, was er hatte, und baute die Mühle neu (und sogar etwas größer) wieder auf.

Auf dem Türbalken über der Haustür sieht man noch den Namen meines Chefs und den seiner Frau. Und in der letzten Zeile ein Lied, das wir damals oft in der Kirche hörten: "Von der Trübsal zur Freude". Leider kam nach der Freude über den Neuaufbau auch bald wieder die Trübsal: Mein Chef starb nur vier Jahre später. Er war nur etwas älter als ich, ich kam immer gut mit ihm aus.

Unseren Meister habe ich immer bewundert. Wenn etwas in der Mühle nicht richtig funktionierte, fand er immer einen Weg, ...
11/06/2022

Unseren Meister habe ich immer bewundert. Wenn etwas in der Mühle nicht richtig funktionierte, fand er immer einen Weg, wie man es wieder in Gang bekam. Ich habe auch einige Handgriffe später gekonnt, aber so wie er konnte es niemand von uns Knechten und Gehilfen (okay, der Müllergeselle schon ...).

Heute guckt Ihr in dieses Internetz und findet da Tricks und Tipps, wenn Ihr welche braucht. Unserem Meister hätte das nicht geholfen - er konnte wie wir alle nicht lesen und schreiben. Erst meine Enkel gingen später zur Schule und lernten das. Da war ich aber schon 55 Jahre alt.

An meine Mutter erinnere ich mich leider nicht mehr richtig. Sie starb bei der Geburt meines Bruders Heinrich an Kindbet...
11/06/2022

An meine Mutter erinnere ich mich leider nicht mehr richtig. Sie starb bei der Geburt meines Bruders Heinrich an Kindbettfieber, als ich noch ein kleiner Junge war. So lebte ich erst mit meinem Bruder und unserem Vater allein in einem der kleinen Häuslingshäuser. Ein halbes Jahr später heiratete unser Vater wieder, und wir hatten wieder eine Mutter.

In dieser Zeit starb im Durchschnitt bei jeder hundertsten Geburt eine Mutter. Das hört sich wenig an, es gab aber wegen der höheren Säuglingssterblichkeit auch im Verhältnis mehr Geburten.

Für mich, aber vor allem für unseren Vater war der Tod unserer Mutter auf jeden Fall sehr traurig. Trotzdem musste es weitergehen, gerade mit einem Säugling in der Familie. Erst halfen die Mägde als Ammen, und dann nach der Heirat kümmerte sich ja unsere Stiefmutter um uns.

Zu meiner Zeit gab es diese ganzen Orte rund um unsere Mühle an der Warnau noch gar nicht. In der Umgebung gab es Reste ...
11/06/2022

Zu meiner Zeit gab es diese ganzen Orte rund um unsere Mühle an der Warnau noch gar nicht. In der Umgebung gab es Reste einer alten Mühle weiter flussaufwärts im Tal der Warnau, eine Mühle in Jarlingen und eine Papiermühle im heutigen Bomlitz. Deren Fluss hieß damals noch auf Plattdeutsch "Bommelse". Plattdeutsch war damals unserer Muttersprache.

Diese Orte waren aber immer nur einzelne Höfe und keine Siedlungen oder sogar Dörfer. Es lebten dort nicht viele Leute. Da, wo Ihr heute so diese vielen Häuser habt, waren zu meiner Zeit Wälder, Wiesen und Äcker.

An den anderen Mühlen in Jarlingen und Bomlitz war ich nur gelegentlich, wenn ich für meinen Meister Botengänge übernehmen musste. Insgesamt bin ich in meinem Leben sicherlich nicht weiter als eine Meile von meiner Heimatmühle weggekommen. Wohin hätte ich auch gehen sollen?! Und so eine Meile ist ja nun auch nicht wenig, immerhin 2000 Ruten, oder für Euch: ungefähr 7,5 Kilometer.

Moin, zusammen, :-)ich bin Johann und grüße Euch herzlich aus dem heutigen Benefeld!Ich habe mein ganzes Leben lang als ...
09/06/2022

Moin, zusammen, :-)

ich bin Johann und grüße Euch herzlich aus dem heutigen Benefeld!
Ich habe mein ganzes Leben lang als Knecht auf dem Cordinger Mühlenhof gearbeitet. Geboren wurde ich im Winter 1790. Und bis ich schließlich ein alter Mann war, hatte ich fünf Gutsherren und Müllern gedient.

In dieser langen Zeit habe ich an der Mühle viel erlebt. Heute sieht es hier natürlich ganz anders aus als vor zweihundert Jahren. Deshalb möchte ich Euch hier aus meiner Erinnerung von meinem damaligen Leben als Knecht und Müllergehilfe erzählen. Auch das war ganz anders als das Leben heute. Es war schwieriger, wir mussten viel arbeiten, und immer wieder kam es vor, dass wir auch hungrig ins Bett gingen. Trotzdem haben wir das Beste daraus gemacht.

Von dieser Zeit will ich Euch erzählen. Und ich hoffe, dass es für Euch in Ordnung ist, wenn ein alter Mann sich manchmal nicht mehr ganz so genau erinnern kann.

Schöne Grüße und "Glück zu"
Johann

Adresse

Am Mühlenhof 8a
Walsrode
29699

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