25/03/2024
Ihr kennt das Spiel längst:
In den Tagen vor dem Prosafestival stellen wir Euch sämtliche am Festival Beteiligten in alphabetischer Reihenfolge vor. Demzufolge macht den Anfang:
🐳 Irene Diwiak 🐳
… wird Sissi- wie Erzähltheorie-Fans gleichermaßen begeistern
Die Königs- (oder sollte ich besser sagen: Kaiserinnen-)Disziplin des Schreibens sind bekanntlich Texte, die so unfassbar schlau, kunstfertig und komplex gebaut sowie aufwändig recherchiert sind, dass wir beim Lesen vor lauter Vergnügen davon gar nichts mitbekommen, sondern einfach bestens unterhalten sind und gar nicht bemerken, was die Autorin dabei gerade mit uns macht. Spoiler Alert: „Die allerletzte Kaiserin“ (C.Bertelsmann 2024) ist genau so ein Buch.
In Irene Diwiaks neuestem Roman wird die Provinzgasthof-Wirtin Claudia Hendl von einer ungewöhnlichen Erscheinung aus dem von biertrinkenden Stammgästen aus dem Dorf und verstreuten Tourist*innen geprägten Alltagstrott gebracht: Johanna Fiala, eine ältere Dame mit federbewehrtem Hut und herrischen Umgangsformen erzählt ihr in der Gaststube vis-à-vis des dort hängenden Kaiser-Franz-Joseph-Fotos bei Himbeerwasser und Guglhupf, die Enkeltochter von Kronprinz Rudolf und somit die allerletzte Habsburger-Kaiserin zu sein. Claudia beschließt, fasziniert vom Fabulieren der alten Dame, deren Geschichte als Buch zu veröffentlichen. So tippt Claudia abends ab, was ihr Johanna tagsüber ins Handy diktiert und nimmt gleichzeitig Kontakt zu einem Verlag auf, wovon Claudia uns in von ihr sogenannten „Zwischenworten“ berichtet. Die prekäre Entstehungsgeschichte dieses fiktiven Buchs wie sein spektakulärer Inhalt handeln also beide vom Erzählen im Sweet Spot zwischen Fakes und Facts. Was jetzt vielleicht kompliziert klingt, liest sich bei Diwiak aber immer so spannend und leichtfüßig, wie es die österreichische Wirtshausküche alter Schule eben nicht ist.
Neben einem Ideenfeuerwerk von A–Z (Alexandrine, Borges, Cervantes – Zander, paniert) und einem Bogen über die Geschichte der Habsburger wie des 20. Jahrhunderts in Österreich ist „Die allerletzte Kaiserin“ dabei ebenso eine berührende Geschichte über die Selbstermächtigung, die Schreiben eben auch ist, wie eine so gewitzte wie witzige Reflexion darüber, wessen Geschichten von wem und wie erzählt, gehört und verlegt werden. Diwiak beweist wieder einmal mehr, was schon Albert Einstein (oder war es Julia Kristeva?) sagte: „Se non è vero, è ben trovato.“ Das ist französisch (Quelle: Internet) und bedeutet: „Genau solche Geschichten wollen wir lesen!“
(mf)
🐳 Irene Diwiak liest am Fr 12. April 2024 in der Wagnerschen
📷 (c) Bogenberger Autorenfotos