18/09/2014
...heute stellen wir euch das Tanztheater Flamenco näher vor...
Am Sonntag, 5.10.2014 könnt ihr euch in der neun von dem bebenden Tanz in seinen Bann ziehen lassen:
A las 5 de la tarde | Tanztheater
Im Flamenco – wie in vergleichbaren, will heißen artverwandten Tanztraditionen Indiens und Japans – steckt ein weltkulturelles, urdemokratisches Erbe. Das gilt es neu zu entdecken. Auf dieser Entdeckungsreise befindet sich seit über 15 Jahren Catarina Mora, die mit eigenem Ensemble den Flamenco aus der folkloristisch-touristischen Sackgasse lockt, mit tanztheatralen Elementen anreichert und in Produktionen wie „Don Juan“ oder „Machismo“ Rollenmuster hinterfragt, Konventionen moderat gegen den Strich bürstet und immer wieder neue Künstler einbezieht.
Neben den Tänzern Miguel Angel, Charo und Maribel Espino sind die Sänger David Vasquez und Momi de Cadiz sowie die Gitarristen Antonio Espanadero und Jorge Rodriguez mit von der Partie. Entwickelt hat Mora (Idee, künstlerische Leitung) das Konzept im Dialog mit der Choreografin Verena Weiss (Regie, Dramaturgie). Ausgehend von Federico Garcia Lorcas berühmtem Gedicht „A las 5 de la tarde“ hat das Duo Mora/Weiss ein inhaltlich starkes, atmosphärisch dichtes Stück geschaffen, das magische Wirkung entfaltet.
„A las 5 de la tarde“, fünf Uhr nachmittags, laut Lorca die Stunde des Todes. Der Stier wird aus völliger Dunkelheit ins Licht der Arena geschickt. Geblendet und ohne Orientierung reagiert er unberechenbar. Beide, Toro und Torero, sind im Augenblick der Wahrheit ausschließlich auf ihre Intuition angewiesen. Das Bild des Stierkampfes als Metapher für innere Kämpfe, haben Mora und Weiss mit mit den Künstlern in einer dichten Zusammenarbeit entwickelt. Flankiert vom stimmstarken Sänger- und Komikerduo Vasquez / Momi, sowie den erstklassigen Gitarristen Espanadero / Rodriguez sind die Soli „alegria“, „siguiriya“ und „solea por buleria“ in der Kürze der Zeit zu einem fulminanten 80-minütigen Stück gereift, das sich sowohl auf den überpersönlichen Wesenskern des Tanzes konzentriert als auch individuelle Stärken der Solisten herausholt: rasierklingenscharf sind Timing und Fokus von Maribel Espino, ekstatisch rasant sind die vielfältigen rhythmischen Cluster, die Angel in einer improvisierten Apotheose förmlich aus dem Körper schüttelt, faszinierend schließlich sind Charo Espino`s Arm- und Handführungen, ihre geschmeidig aus der Achse gekippten Drehungen und die Skala ihrer Verwandlungsfähigkeit.
„Ein Stolperstein war die Konstellation: eine Frau und zwei Männer. Man denkt sofort an Gockelkampf und fragt: wer macht das Rennen?“ erklärt Verena Weiss. Ihr gehe es nicht um vordergründige Rivalität, sondern um die Kraft dahinter, um die Aspekte Körper, Geist und Seele, um das Tauziehen zwischen männlichem und weiblichem Prinzip. Im Spannungsfeld von Ratio und nicht zu kontrollierender Naturgewalt hat die Frau emotionale Ausbrüche und die Frage ist: wie reagieren die Männer auf dieses Phänomen? Auf der einen Seite der Provokateur, der den Bogen auch mit seiner Virtuosität so überspannt, dass selbst das Publikum denkt, die Grenze ist erreicht, mehr geht doch gar nicht! Auf der anderen Seite der Verführer, der Annäherung sucht. „Er tanzt“, laut Catarina Mora „auch sehr stark und wild. Aber in seinen Stopps nimmt er den Schlag auf und führt ihn weiter. Das ergibt das Gefühl eines Gedanken, der nicht anhält, der weiter fließt, als ob er in sich ein Ja und ein Nein, ein Vielleicht oder Doch enthält“. Hochspannend und von einer eigenen Poesie getragen ist die Kombination aus Flamenco und Tanztheater. Diese Fusion sei für sie nicht neu, sagt Charo Espino. Einzig neu sei die abstraktere Auffassung des Inhalts und des Rollenverständnisses: „im Flamenco sind die Geschichten realer, eine lineare Erzählstruktur wie im Film, von Anfang bis zum Ende“. Das realistische Konzept, das sie vom Flamenco gewohnt sei, vermittele eine gewisse Sicherheit: „du spielst beispielsweise eine klar definierte Rolle, aber nicht verschiedene Konzepte in einer Person. die ständigen Metamorphosen von einer Frau in ein Tier, vom Stier, zur Mutter, zur Schlange, das war schwierig und ich musste mit mir kämpfen, um in diese Rolle zu finden“.